Gestern erschien auf berlinergazette.de ein Artikel von mir – nach langer Pause endlich mal wieder ein Schreibprodukt, auf das ich auch sehr stolz bin :) Es geht darin um meine persönlichen, etwas ernüchternden Erfahrungen mit meinem App-Spielzeug No. 1 (vor Facebook und Instagram!): Foursquare. Kennt ihr nicht? Lesen!
Hier geht's auch zum Originalartikel.
Wir können twittern, was wir gerade denken, liken, was uns gerade gefällt und posten, was wir gerade essen. Seit 2009 können wir auch dort “einchecken”, wo wir gerade sind: im Restaurant, im Museum, im Club – und diese Information mit unseren Freunden teilen. "Foursquare" basiert auf dieser Funktion. Kürzlich hat das soziale Netzwerk die zehn Millionen Nutzer-Grenze überschritten. Berliner Gazette-Redakteurin Sarah Curth zieht eine ernüchternde Bilanz: “Ihr wisst wo ich bin, aber wo seid ihr?”
Meine Freunde wissen immer wo ich bin. Nein, ich habe kein Glöckchen umhängen, keine Fußfessel mit GPS-Sender und bin auch keine von Paparazzi belagerte Persönlichkeit. Ich nutze
Foursquare. Foursquare, das ist eine dieser neumodischen Handy-Applikationen, die die Menschen, die sie benutzen, aussehen lässt, als wären sie nur sekundär an ihrer Umwelt interessiert. Sieht aber nur so aus. Denn in Wirklichkeit bin ich detailversessen interessiert an meiner Umwelt und lasse meine Freunde daran teilhaben.
Sobald ich also meine Uni, meinen
Lieblingsvietnamesen oder ein neues Café betrete, hole ich mein iPhone aus der Tasche und checke dort ein. Dank
GPS ortet mich die App und führt mir alle Orte in einer Umgebung von 600 Metern auf. Ist eine Location noch nicht dabei, kann man sie neu anlegen und eine Kategorie, wie zum Beispiel “Freie Natur”, “Nachtleben” oder “Kunst”, hinzufügen. Für andere Besucher des Ortes kann ich dann Fotos und Tipps hinterlegen: “Beste Uni der Welt!” oder “Probier’ unbedingt die Reisnudelsuppe mit Tofu!”
Wie man bei Foursquare zum "Bürgermeister" eines Ortes wird
Um die User zu motivieren regelmäßig einzuchecken, hat sich Foursquare-Gründer
Dennis Crowley ein besonderes System einfallen lassen: Mit jedem Check-in sammelst du Punkte. Ist ein Freund mit dir dort eingecheckt oder besuchst du das erste Mal einen Ort dieser Kategorie, bekommst du Extrapunkte und steigst im Freunde-Ranking höher.
Außerdem erhälst du Abzeichen, wie zum Beispiel den Badge “Crunked” wenn du in einer Nacht an vier Orten warst. Um zum Mayor, also “Bürgermeister” eines Ortes zu werden, musst du öfter als alle anderen User in dieser Location eingecheckt haben. Manche Geschäfte haben darin schon ein Marketing-Potenzial erkannt. Das Café
Sankt Oberholz beispielsweise schenkt dem Mayor eine Coffee-Flatrate.
13 von zehn Millionen NutzerInnen kenne ich persönlich
Obwohl Foursquare seit Juni
über zehn Millionen Nutzer hat, die täglich drei Millionen Mal einchecken, ist es noch immer ein Tool der
Early Adopters. Lediglich 13 meiner persönlichen Kontakte nutzen es regelmäßig. Viele sind zunächst begeistert, verlieren aber schnell die Lust daran – weil zu wenige aus ihrem sozialen Umfeld mitmachen. Auch wenn man die eigenen Check-ins über Facebook und Twitter verbreiten kann, die Nutzung bleibt meist einseitig. So sinkt die Motivation für Neueinsteiger sehr schnell.
Andere dagegen suchen sich auf Foursquare erst ihre Freunde. Ähnlich wie auf Twitter folgen sie (im wahrsten Sinne des Wortes) Unbekannten und könnten mit ihren hunderten von Freunden theoretisch an jeder Ecke Berlins “zufällig” einen davon treffen. Aber das ist weniger das Ziel. Vielmehr hängt man sich virtuell an interessante Leute um viele Tipps zu neuen, bisher unbekannten Orten zu bekommen – oder einfach ihre lustigen Kommentare zum
Hackeschen Markt zu lesen.
Foursquare begleitet mich durch die Stadt
So ist Foursquare für mich eben auch ein Reiseführer – für meine Heimatstadt. Orte, die meine Freunde empfehlen, kann ich zu einer To-Do-Liste hinzufügen und sobald ich mich in der Nähe aufhalte, erinnert mich die App daran. Dank der “Erkunden”-Funktion kann ich meine Stadt neu entdecken und Orte in der Umgebung nach Kategorien filtern. Ich bin gerade am Ku’damm und weiß nicht wo man hier gut essen kann? Foursquare zeigt mir die Locations an, die besonders beliebt bei meinen Freunden sind.
Am 14. Juli 2010 checkte ich das erste Mal ein, seitdem habe ich es 787 Mal getan und bleibe auch weiterhin dran. Ein Bekannter erzählte mir, er nutze Foursquare als Tagebuch. Er empfahl mir
memolane.com. Auf dieser Website kann ich alle meine Statusupdates, Tweets, Blogeinträge, Check-ins und andere Online-Einträge der letzten Jahre in einer Timeline nachvollziehen. Ein Spiegel meines Lebens breitet sich so vor mir aus und ich weiß, wo ich beispielsweise am
20. November 2010 war.
Illustration: Das Wachstum der Foursquare-Community seit 2009.